Auszug aus:
Hundeführerschein
Grundwissen Gefahrenvermeidung im Umgang mit Hunden
Bayrische Landestierärztekammer, 2001
Der Welpe: Herkunft und Entwicklung
Je mehr Gedanken man sich vor dem Kauf eines Welpen macht, desto besser wird der Kleine hinterher in die Familie passen.
Die gute Kinderstube
Die Herkunft und Aufzuchtbedingungen eines Hundes beeinflussen sein späteres Verhalten ganz entscheidend. Häufig liegen hier die Wurzeln späterer Verhaltensstörungen.
„Sensible Phase“
Mit 3 bis etwa 14 Wochen ist ein Welpe besonders lernfähig. In dieser „sensiblen“ Lebensphase muss der Hund grundlegende Erfahrungen mit seiner Umwelt und anderen Hunden und Menschen machen, um sich gesund entwickeln zu können.
Welpe und Umweltreize: Was ist ein Staubsauger oder ein Auto?
Ein Welpe muss in den ersten drei Lebensmonaten möglichst viele Geräusche und Gegenstände kennenlernen, die zu seiner späteren Umgebung gehören. Nehmen Sie daher keinen Welpen zu sich, der in einem Zwinger, in einer Scheune oder einem Keller aufwächst oder aus unbekannten Verhältnissen stammt. Am besten ist es, wenn ein Welpe in einem Haushalt mit Garten aufwächst und am Alltagsleben teilhat.
Welpe und Artgenossen
Für die Entwicklung des Hundes ist es unbedingt nötig, dass er nicht alleine, sondern zusammen mit anderen Hunden aufwachsen kann. Wählen Sie daher nur einen Welpen, der mit Mutter und Geschwistern gemeinsam aufwächst und auch mit anderen Hunden Kontaktmöglichkeiten hat. Gewähren Sie auch nach der Übernahme des Kleinen möglichst täglich den freien Kontakt mit anderen Hunden.
Welpe und Menschen
Damit ein Hund Menschen ohne Angst begegnen kann, ist es unbedingt nötig, dass er in den ersten drei Lebensmonaten ausreichend Kontakt zu Menschen unterschiedlichen Alters und Aussehens hat. Er sollte sowohl beim Züchter als auch bei seinem Besitzer möglichst oft ganz verschiedene nette Leute kennenlernen. Wächst ein Welpe zusammen mit Kindern auf und macht er mit diesen positive Erfahrungen, wird er mit größter Wahrscheinlichkeit später ein kinderfreundlicher Hund werden.
Informieren Sie sich vor der Anschaffung eines Welpen ganz genau darüber, was Sie erwarten wird und welche Eigenschaften die von Ihnen gewünschte Rasse hat. Wählen Sie einen Welpen, der in engem Kontakt mit der Züchterfamilie im Haushalt aufwächst, zu Kindern, fremden Menschen und anderen Hunden viel Kontakt hat und dessen Eltern (zumindest die Mutter) Sie sehen und streicheln können.
Checkliste zur Welpenauswahl:
Folgende Kriterien sollte die „gute Kinderstube“ des Welpen Ihrer Wahl erfüllen:
- Haltung in der Familie im Haus, möglichst Zugang zum Garten
- keine Zwingerhaltung oder Haltung in Scheunen, Ställen u.ä.
- Kontakt mit verschiedenen Menschen, vor allem Kindern
- Kontakt mit anderen Hunden
- die Mutterhündin ist freundlich und lässt sich anfassen
- Sie dürfen die Welpen vor Abgabe (auch mehrfach) besuchen und anfassen
- beide Elterntiere sind gesund und haben ein friedliches Wesen (bei Rassehunden Gesundheitszeugnisse und Wesensbeurteilung zeigen lassen)
- der Züchter gewöhnt die Welpen bereits behutsam an die üblichen Dinge des Alltags, z.B. ans Autofahren
Seien Sie misstrauisch und verzichten Sie auf den Welpen, wenn:
- der Züchter Welpen unterschiedlicher Rassen gleichzeitig anbietet
- der Züchter mehrere Würfe zur gleichen Zeit aufzieht
- die Tiere in Zwingern gehalten werden
- Sie sich die Zwinger oder Räume, in denen die Tiere gehalten werden, nicht ansehen können (als Ausrede: aus hygienischen Gründen)
- die Haltung ungepflegt ist
- Sie die Elterntiere (zumindest die Mutter) nicht sehen und anfassen können
- die Elterntiere aggressives oder ängstliches Verhalten gegenüber Besuchern zeigen
Das richtige Alter für den Erwerb
Ein Welpe sollte nicht früher als mit 8 Wochen von seiner Hundefamilie getrennt werden. Ein gutes Abgabealter liegt bei etwa 10 Wochen.
Die Beißhemmung ist nicht angeboren
Hunde müssen die Beißhemmung bis zur 18. Lebenswoche lernen. Dies geschieht im Spiel mit anderen Welpen, muss aber auch beim Spiel mit Menschen konsequent erfolgen (bei zu argem Beißen Abbruch des Spiels mit lautem „Aua“).
Die Sozialisierung geht weiter
Gewöhnen Sie Ihren Welpen an alles, was für sein späteres Leben nötig ist. Bringen Sie Ihren Welpen unter Menschen und Hunde, gewöhnen Sie ihn an Geräusche und Alltagsgegenstände und fördern Sie sein Bewegungslernen, indem Sie ihn klettern und kleine Hindernisse überwinden lassen. Aber achten Sie unbedingt darum, den Kleinen dabei nicht zu überfordern.
Gewöhnung an Menschen
- Treffen Sie sich mit Freunden, Nachbarn oder Bekannten mit Kindern unterschiedlichen Alters. Nehmen Sie den Welpen dorthin mit, wo es viele Kinder gibt.
- Laden Sie häufig Besuch ein.
- Zeigen Sie Ihrem Hund Radfahrer, Jogger, Rollstuhlfahrer usw.
- Nehmen Sie den Welpen mit z.B. zum Einkaufen in die Fußgängerzone, mit in den Bus oder Straßenbahn, in den Biergarten, ins Restaurant usw.
Bringen Sie Ihrem Welpen im Spiel die Beißhemmung bei.
Gewöhnung an andere Hunde
- Gehen Sie in eine gute Hundeschule oder auf einen guten Hundeplatz, wo Ihr Hund Gleichaltrige trifft, mit ihnen spielen kann, mit neuen Umweltreizen konfrontiert wird und Sie wichtige Anleitung erhalten.
- Wenn Ihnen beim Spaziergang ein fremder Hund begegnet, sollten Sie Ihren Welpen nicht ängstlich auf den Arm nehmen, sondern ihm die Gelegenheit geben, den Kontakt mit seinem Artgenossen herzustellen.
Gewöhnung an andere Tiere
- Zeigen Sie Ihrem Welpen andere Tierarten, vom Zwergkaninchen bis zum Pferd.
- Gewöhnen Sie ihn an (hundeerfahrene, freundliche) Katzen, wenn dies möglich ist.
- Besuchen Sie, wenn möglich, ein Wildgehege.
Gewöhnung an Alltagsgegenstände und -geräusche
- Gewöhnen Sie Ihren Welpen behutsam an Haushaltsgeräte, die Sie verwenden.
- Gehen Sie (mit dem Hund an der Leine) an befahrenen Straßen spazieren, damit sich der Welpe an den Straßenverkehr gewöhnt.
- Machen Sie verschiedene Geräusche, an die Sie den Welpen gewöhnen möchten (Läuten an der Haustüre, scheppernder Eimer, Musikinstrument).
Gewöhnung an Untergründe und Förderung des motorischen Lernens
- Gehen Sie an Orte mit unterschiedlicher Bodenbeschaffenheit (harte und weiche Böden, Kieswege, hohes Gras, Gitterroste usw.). Treppensteigen oder rutschige Böden überfordern sehr junge Hunde jedoch noch (nur hin und wieder).
- Lassen Sie Ihren Hund auf oder über kleine Hindernisse klettern (Baumstämme, große Steine, Balken usw.), wenn er dies bereits körperlich bewältigen kann.
Lesen Sie auch:
Der Hundeführerschein, Teil 2: Hundekunde – Hund ist nicht gleich Hund
Der Hundeführerschein, Teil 3: Spielen, aber richtig